Es ist eine nicht enden wollende Kolonne Papier. Ein Bogen nach dem anderen verlässt, präzise gefaltet, das Innere der Druckerpresse. Immer im selben Tempo, im selben Abstand, in derselben Ausrichtung. 40.000 Exemplare pro Stunde. Der dunkle Hintergrund und die weiße Schrift verschwimmen. Beinahe könnte die Szene eine hypnotische Wirkung entfalten – wenn da nicht das unaufhörliche Rattern der Transportbänder wäre. Richard Gray wirft einen kurzen Blick auf die an ihm vorbeirauschenden Bögen, bevor er einen herausfischt und prüfend durchblättert. Der Geschäftsführer von Prinovis UK hält die neue Ausgabe der „Weekend“ in den Händen, der Sonntagsbeilage der „Daily Mail“. Es ist einer von fünf Wochenendtiteln, die seit April 2016 bei Prinovis in Liverpool gedruckt werden. „Wir sind sehr froh darüber, dass wir diese Aufträge gewinnen konnten“, sagt er.
Die Verlage der „Daily Mail“ und des „The Daily Telegraph“, zwei der auflagenstärksten Tageszeitungen im Vereinigten Königreich, haben Prinovis im Vorjahr mit dem Druck der Wochenmagazine ihrer Traditionsblätter beauftragt. Das „Saturday Telegraph Magazine“ und „Stella“ werden für die Telegraph Media Group produziert; DMG Media lässt die Wochenend-Beileger „You“ und „Event“ sowie „Weekend“ bei Prinovis fertigen. Sie kommen zusammen auf eine Auflage von sechs Millionen Exemplaren pro Woche und erscheinen teilweise mit weiteren Ein- oder Auflegern. Allein von der „Weekend“-Beilage der „Daily Mail“ produziert die Druckerei in Liverpool eine wöchentliche Stückzahl von rund 2,5 Millionen Exemplaren. „Für unsere Kunden aus der Zeitungsbranche sind die beigelegten Magazine wichtig, weil sie damit den Verkauf ihrer Wochenendausgaben unterstützen. Gleichzeitig können sie Anzeigen in den Magazinen verkaufen“, erklärt Gray.
70 neue Vollzeitstellen
Angesichts sinkender Volumina im Druckmarkt kann der Gewinn der beiden großen und namhaften Kunden als Volltreffer für Prinovis UK gelten. Der Standort in Liverpool ist damit auf absehbare Zeit gut ausgelastet, der Vertrag erstreckt sich auf fünf Jahre. Um die Aufträge zuverlässig und in gewohnter Qualität erfüllen zu können, hat das Management rund 70 neue Vollzeitstellen geschaffen. Damit beschäftigt Prinovis UK inzwischen 491 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Maschinen sind woanders platziert, reaktiviert oder gleich neu eingekauft worden, wie etwa ein Sammelhefter der Marke Ferag Unidrum, der in der Weiterverarbeitung einzelne Abschnitte und Einleger zur fertigen Ausgabe zusammenfügt.
„Wir haben an mehreren Stellen investiert, um die hohen Auflagen zu bewältigen“, sagt Richard Gray, während er die Druckerpresse Nummer zwei verlässt und auf den grün-gelb markierten Sicherheitswegen die betriebsame Produktionshalle durchquert. Mehrere Meter über ihm befördern Transportketten die „Weekend“-Beilagen wie an eine Wäscheleine geklammert über Menschen und Maschinen hinweg. Dabei schlängeln sie sich zwischen Rohren, Schächten und Verstrebungen hindurch, auf dem Weg zur nächsten Station im Verarbeitungsprozess. Rund ein Jahr nach dem Start der Produktion im Mai 2016 zieht Gray ein sehr positives Zwischenfazit: „Wir haben Spaß an dieser Aufgabe und, was am wichtigsten ist, die Kunden sind zufrieden.“
Zugleich lässt er durchblicken, dass dies kein Auftrag wie jeder andere sei, nicht nur wegen der Auflagenhöhe. Auch das überdurchschnittliche Format der „Weekend“-Magazine habe Anpassungen in den Abläufen und beim Equipment erfordert. Während diese Aufgaben jedoch abgeschlossen sind, muss die größte Herausforderung Woche für Woche aufs Neue bewältigt werden: „Die Beilagen sind sehr zeitkritische Produktionen, bei denen wir enge und genaue Fristen einhalten müssen. Zum Glück gab es noch keine größeren Schwierigkeiten. Aber wir müssen immer wieder Einsatz und Konzentration zeigen, damit keine Fehler passieren.“
Volatiler Druckmarkt
Richard Gray ist seit knapp 30 Jahren im Druckgeschäft tätig. Den Standort in Liverpool leitet er schon seit 2007. Er kennt die Situation der Branche bestens und weiß: Qualität und Kundenorientierung sind angesichts des Wettbewerbs wichtiger denn je. Der Druckmarkt in Großbritannien sowie in anderen Ländern Europas sei „sehr volatil“, also ständiger Veränderung unterworfen. Vieles von dem, was früher gedruckt wurde, wird heute nur noch digital veröffentlicht – einerseits. Andererseits bleiben in bestimmten Bereichen die Auflagen stabil oder steigen sogar: Flyer, Kataloge und Prospekte spielen für Handel und Gewerbetreibende eine große Rolle, um Produkte zu bewerben und Käufer zu gewinnen. JD Williams beispielsweise, einer der größten Versandhändler und Kunde von Prinovis UK, setzt im Marketing sehr stark auf Print und lässt die meisten seiner Kataloge und Postwurfsendungen in Liverpool drucken. „Der Markt ist rückläufig, aber Print ist definitiv noch sehr lebendig und unverzichtbar im Medienmix“, betont Gray.
Um allerdings auch als Anbieter von Druckerzeugnissen unverzichtbar zu bleiben, bedarf es einer wohlüberlegten Positionierung. Seit der Eröffnung des Liverpooler Standortes im Jahr 2006 hat sich Prinovis UK als zuverlässiger Printpartner etabliert, der hohe Qualität mit umfassenden Serviceleistungen verbindet. Als letzte aktive Tiefdruckerei in Großbritannien verfügt Prinovis über eine strategisch wertvolle Position. Zwar entfallen inzwischen viele Aufträge auf den bei kleineren Stückzahlen günstigeren Offsetdruck. Doch der Tiefdruck bleibt vor allem bei hohen Auflagen, die in kurzer Zeit produziert werden müssen – etwa die Beilagen von Tageszeitungen –, für viele Auftraggeber die erste Wahl. „Am Ende geht es nicht um die Frage, welches Druckverfahren ein Kunde bevorzugt“, sagt Gray. „Ausschlaggebend ist immer das Gesamtpaket aus Preis, Leistung und Service. Und da haben wir mit dem Tiefdruck in vielen Fällen die Nase vorn.“ 155.000 Tonnen Papier hat Prinovis UK im vergangenen Jahr bedruckt – das entspricht dem Gewicht von 560 Jumbojets vom Typ Airbus A380.
Entscheidend für die hohe Qualität und schnelle Produktion ist auch der leistungsfähige Maschinenpark. Prinovis verfügt in Liverpool über vier Tiefdruckrotationsmaschinen, fünf Sammelhefter, zwei Klebebinder und acht sogenannte „Polybagging“-Linien. Diese verpacken in hoher Geschwindigkeit Magazine in einer bestimmten Stückzahl in Klarsichtfolie und schnüren dadurch Pakete, die bestens für den Transport auf Paletten geeignet sind. Während er an einer der „Polybagging“-Maschinen vorbeigeht, die die fertig zugeschnittenen und gehefteten Exemplare der „Weekend“ mit Folie und Plastikschnüren ummanteln, erklärt Richard Gray: „Wir beabsichtigen, unsere Kapazitäten für die Weiterverarbeitung und das Einlegen noch in diesem Jahr weiter auszubauen und hier zu investieren.“
Schlagkräftiger Verbund
Bei der Bewältigung der beiden Großaufträge für die „Daily Mail“ und den „Daily Telegraph“ profitiert das Team in Liverpool von der Unterstützung der Schwesterunternehmen in Deutschland. Tatsächlich haben die Auftraggeber, DMG Media und die Telegraph Media Group, Prinovis UK auch deshalb den Zuschlag gegeben, weil das Unternehmen in einem schlagkräftigen Verbund operiert. Die deutschen Prinovis-Standorte in Dresden, Ahrensburg und Nürnberg haben für die Kollegen auf der Insel in Teilen die Produktion der weniger zeitkritischen Aufträge übernommen. Die dadurch frei gewordenen Ressourcen können komplett für die Wochenendmagazine eingesetzt werden. „Ohne diese Unterstützung hätten wir die neuen Volumina nicht bewältigen können. Das ist eine sehr große Hilfe für uns und zeigt, welchen Mehrwert die Bertelsmann Printing Group uns allen bietet“, lobt Gray. Die Verankerung in den Druckgeschäften von Bertelsmann helfe nicht nur im konkreten Fall dieses Auftrags, sondern auch grundsätzlich, stellt der Geschäftsführer klar: „Unsere Kunden wissen, dass wir einer soliden Unternehmensgruppe angehören und dank des internationalen Netzwerks große Kapazitäten bieten können.“ Die Botschaft der heute wohl bekanntesten Fußballhymne der Welt, die zuerst im berühmten Stadion des FC Liverpool an der Anfield Road von Tausenden leidenschaftlicher Fans geschmettert wurde, gilt genauso für Prinovis UK: „You’ll never walk alone“ – du gehst niemals allein.
Doch wohin geht Prinovis UK? Mit dem Gewinn der beiden großen Kontrakte im Vorjahr haben sich die Kolleginnen und Kollegen selbst ein schönes Geschenk zum zehnjährigen Jubiläum des Standortes gemacht. Nun gelte es zunächst, die Produktionsabläufe für diese Aufträge kontinuierlich zu verbessern, um den Ertrag für Prinovis UK zu steigern und die Kunden durchgängig zufriedenzustellen, erklärt Gray. „Eine Verlängerung der beiden Verträge innerhalb der Laufzeit von fünf Jahren muss natürlich unser Ziel sein.“
Dass der Standort in Liverpool mittel- bis längerfristig vor Veränderungen steht, ist für den Geschäftsführer gewiss: „Wir denken schon heute daran, wie unser Unternehmen in fünf oder zehn Jahren aussehen könnte. Vielleicht sind wir dann ein Hybridstandort und bieten neben dem Tiefdruck- auch Offsetdruck an.“ Mit konkreten Prognosen hält sich Gray aber zurück. Er weiß um die großen Herausforderungen und Schwankungen im Druckmarkt. Es werde entscheidend darauf ankommen, die Bemühungen im Vertrieb auf hohem Level zu halten, um zurückgehende Auflagen durch neue Aufträge zu kompensieren. Außerdem prüfe das Team permanent alle Möglichkeiten, um sich optimal auf die Anforderungen der Kunden einzustellen.
Welche Aufgaben auf Prinovis UK auch zukommen werden – Richard Gray blickt ihnen voller Optimismus entgegen. „Wir haben eine starke Position im Markt, aus der heraus wir unser Geschäft weiter ausbauen und für die gesamte Bertelsmann Printing Group hoffentlich neue Aufträge gewinnen können.“ Wer den seiner Meinung nach größten Anteil an den jüngsten Erfolgen hat, daran lässt er keine Zweifel: „Unsere Mitarbeiter sind der Schlüssel für unser Unternehmen. Wir haben auf jeder Ebene und in allen Bereichen wirklich ein großartiges Team, in dem jeder harte Arbeit leistet und sich unermüdlich um die Bedürfnisse der Kunden kümmert. Ich bin froh, dass wir hier in Liverpool eine so starke Truppe haben – und dass die Kollegen in Deutschland uns ebenfalls zur Seite stehen.“